Was ist Verhinderungspflege?
Im Alter und bei einer schweren Krankheiten können viele Menschen ihren Alltag nicht mehr ohne fremde Hilfe bestreiten. Die permanente Unterstützung durch eine Pflegekraft wird notwendig. Da die Kosten für eine professionelle Pflegekraft in Vollzeit ganz erheblich ausfallen, übernehmen oftmals die Verwandten die Pflege eines Angehörigen. Besitzt der Angehörige eine von der Krankenkasse anerkannte Pflegestufe, so bekommt er von dieser ein Pflegegeld ausgezahlt, welches üblicherweise zur Entschädigung der pflegenden Angehörigen aufgewendet wird. Was aber passiert, wenn die pflegende Person einmal verhindert ist? Sei es aus beruflichen Gründen, weil sie einmal eine Auszeit benötigt oder weil sie vielleicht selbst einmal krank ist? Für diesen Fall sieht die gesetzliche Regelung eine sogenannte Verhinderungspflege vor. Dies bedeutet, dass aushilfsweise eine andere Person als Pflegepersonal einspringen kann und dafür eine Kompensation von der Pflegekasse erhält.
Welche Voraussetzungen liegen für die Verhinderungspflege vor?
Um eine Verhinderungspflege in Anspruch nehmen zu können, benötigt die gepflegte Person einen Pflegegrad der Stufe 2 bis 5. Bei einem Pflegegrad der Stufe 1 besteht dagegen kein Anspruch auf eine Verhinderungspflege und auch nicht auf eine Kurzzeitpflege. Personen mit dieser Pflegestufe sind noch als weitgehend selbständig anzusehen, weshalb die permanente Anwesenheit einer Pflegeperson nicht vorgesehen ist. Daher erhalten Personen in der Pflegestufe 1 auch kein Pflegegeld, sondern nur einen Entlastungsbeitrag.
Eine Verhinderungspflege kann zudem nur gewährt werden, wenn die pflegebedürftige Person zuvor mindestens sechs Monate in ihrer häuslichen Umgebung gepflegt worden ist. Außerdem darf die Vertretung bei der Krankenkasse nicht bereits als regulär pflegende Person registriert sein. Teilen sich zum Beispiel die Ehefrau und Tochter die Pflege des Ehemannes beziehungsweise Vaters, so können sie nicht gegenseitig als Verhinderungspflege einspringen.
Der Anspruch auf Verhinderungspflege ist gesetzlich festgelegt. Das Sozialgesetzbuch (SGB XI § 39) regelt die Voraussetzungen und die Höhe der Verhinderungspflege. Dort können Sie die jeweils aktuelle Fassung selbst einsehen (https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__39.html).
Gilt die Verhinderungspflege nur für Senioren?
Verhinderungspflege kann ausdrücklich nicht nur für Senioren beantragt waren. Auch andere pflegebedürftige Personengruppen, zum Beispiel Menschen mit einer chronischen Krankheit, können davon profitieren. Hier gelten sogar höhere Sätze als bei Senioren. Junge Menschen unterhalb von 25 Jahren, die im Pflegegrad 4 bis 5 eingestuft sind, können im Kalenderjahr sogar bis zu acht Wochen Verhinderungspflege beantragen. Außerdem entfällt hier die Bedingung, zuvor mindestens sechs Monate in der häuslichen Pflege untergebracht gewesen zu sein. Nicht zuletzt können sie unter Einrechnung des Kurzzeitpflege-Budgets bis zu 3386 Euro Verhinderungspflegegeld im Jahr erhalten.
Was ist der Unterschied zwischen Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege?
Während die pflegebedürftige Person bei der Verhinderungspflege zu Hause bliebt und dort die Betreuung durch eine Aushilfe übernommen wird, handelt es sich bei der Kurzzeitpflege um die zeitweise Inanspruchnahme einer Pflegeeinrichtung, zum Beispiel einer Tagespflege oder eines Pflegeheims. Die Kurzzeitpflege ist vor allem dann interessant, wenn sich niemand finden sollte, der die pflegebedürftige Person zu Hause betreut. Bei der Kurzzeitpflege wird also immer von einer externen Pflegeeinrichtung Gebrauch gemacht. Der gesetzliche Anspruch auf Kurzzeitpflege beträgt acht Wochen pro Jahr und wird mit bis zu 1774 Euro kompensiert. Üblicherweise zahlt die pflegebedürftige Person aber für die Unterbringung, die Verpflegung und die Fahrten, da die Pflegekasse nur für die Pflegedienstleistung aufkommt.
Wieviel Geld bekommt man bei der Verhinderungspflege?
Nicht verwandte oder angehörige Personen
Für die Höhe der Verhinderungspflege ist relevant, ob eine Verwandtschaftsbeziehung zu der gepflegten Person besteht. Sollten Sie mit dieser nicht verwandt oder ihr familiär angehörig sein, so fällt die Kompensation höher aus. Ausschlaggebend ist eine Verwandtschaft bis zum zweiten Grad. Liegt diese in Ihrem Fall nicht vor, zahlt die Pflegeversicherung bis zu 1612 Euro im Jahr für die Pflegeleistung und die Fahrtkosten. Darüber hinaus kann noch ein Betrag aus dem Kurzzeitpflege-Budget von 806 Euro genutzt werden, falls dieser nicht für eine tatsächliche Kurzzeitpflege in Anspruch genommen wurde. Insgesamt sind dadurch bis zu 2418 Euro an Pflegekompensation im Jahr möglich.
Verwandte und Angehörige
Andere Bemessungsgrundlagen liegen vor, wenn Sie bis zum zweiten Grad verwandt oder auch verschwägert mit der zu pflegenden Person sein sollten. In diesem Fall fällt die Kompensation leider geringer aus. Hier wird höchstens der eineinhalbfache Betrag des regulären Pflegegeldes ausgezahlt. Die Höhe ist zudem abhängig von der Pflegestufe.
Bei einer Pflegestufe 2 beträgt die jährliche Grenze 474 Euro und kann sich bis zur Pflegestufe 5 auf 1351,50 Euro steigern. Sollten Ihnen durch die Verhinderungspflege allerdings zusätzliche Fahrtkosten entstehen oder ein Verdienstausfall, weil sie während der Pflege ihrer eigenen Arbeit nicht nachgehen können, so besteht die Möglichkeit, auch bei verwandten Pflegepersonen den Betrag bis zu einer Höhe von 1612 Euro jährlich aufzustocken.
Zusätzlich kann auch hier das unverbrauchte Kurzzeitpflege-Budget von bis zu 806 Euro in Anspruch genommen werden. Für die Zeit der Abwesenheit wird der Pflegeperson übrigens ihr reguläres Pflegegeld um die Hälfte gekürzt. Dies gilt allerdings nicht für Tage mit weniger als acht Stunden Abwesenheit, wie es beispielsweise am ersten und letzten Urlaubstag vorkommen kann.
Wie lange dauert eine Verhinderungspflege?
Die zeitliche Dauer, in welcher Verhinderungspflege in Anspruch genommen wird, ist frei einteilbar. Verhinderungspflege kann sowohl für Tage und Wochen, aber auch nur für einige Stunden beantragt werden. Die maximale Dauer pro Kalenderjahr beträgt allerdings sechs Wochen beziehungsweise 42 Tage. Je nach Bedarf kann die Verhinderungspflege sowohl durchgehend als auch auf mehrere Wochen oder Tage verteilt in Anspruch genommen werden. Im Extremfall kann beispielsweise auch wöchentlich für einen einzigen Tag oder einzelne Stunden jemand anderes die Pflege übernehmen.
Was ist der Unterschied zwischen ganztägiger und stundenweiser Verhinderungspflege?
Ist die Pflegeperson weniger als acht Stunden an einem Tag abwesend und lässt sich während dieser Zeit vertreten, spricht man von einer stundenweisen Verhinderungspflege. Dies kann zum Beispiel notwendig sein, um einen dringenden Termin wahrzunehmen oder einer Freizeitaktivität nachzugehen.
Der Vorteil hierbei ist, dass die einzelnen Stunden nicht vom Gesamtumfang der jährlich verfügbaren Verhinderungspflege abgezogen werden. Außerdem erfolgt während dieser Zeit keine Kürzung des Pflegegeldes. Allerdings kann auch die stundenweise Verhinderungspflege nur so lange abgerechnet werden, bis das verfügbare Jahresbudget ausgeschöpft ist.
Entscheidend ist die Dauer der tatsächlichen Abwesenheit, nicht der Vertretung. Wenn Sie beispielsweise zehn Stunden abwesend waren, aber nur für sechs Stunden eine Vertretung bestellt haben, dann zählen trotzdem die 10 Stunden.
Ein Beispiel: Sie nehmen sich jeden Freitag drei Stunden Auszeit von der Pflege ihrer Mutter. Diese übernimmt dann Ihr Sohn für 11 Euro pro Stunde. Nach 49 Tagen je drei Stunden wäre damit das Jahresbudget von 1612 Euro ausgeschöpft. Wären sie stattdessen ganztägig abwesend, stünden Ihnen im Jahr nur 42 Tage zur Verfügung.
Muss die Verhinderungspflege steuerlich gemeldet werden?
Grundsätzlich ist das Geld für die Verhinderungspflege steuerfrei, allerdings nur, insofern zwischen der in der Verhinderungspflege eingesetzten und der pflegebedürftigen Person ein Angehörigen- oder Verwandtschaftsverhältnis besteht oder die Person, die die Verhinderungspflege übernimmt, damit eine sittlich-moralische Pflicht erfüllt. Eine solche Pflicht kann bestehen, wenn keine andere verwandte Person zur Verfügung steht, um die Verhinderungspflege zu übernehmen, oder zur pflegebedürftigen Person ein nicht-verwandtschaftliches Verhältnis besteht, durch welches eine besondere Verpflichtung abgleitet werden kann. Ein Beispiel wäre hier, wenn die pflegebedürftige Person Ihnen früher einmal einen Gefallen getan hat, den Sie erwidern müssen. Auch Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in einem Haushalt leben, zum Beispiel in Form einer Wohngemeinschaft, können dieser gegenüber in einer moralischen Pflicht stehen und müssen demzufolge keine Steuern zahlen. Dies sollte jedoch im Zweifelsfrei abgeklärt werden. In jedem Fall steuerfrei ist die Verhinderungspflege für Angehörige. Darunter zählen:
- Ehepartner
- Lebensgefährten
- Kinder
- Enkel
- Neffen und Nichten
- Onkel und Tanten
- Schwägern und Schwägerinnen
- Pflegekinder
- Stiefkinder
- Schwiegereltern
Familienfremde professionelle Pflegekräfte müssen dagegen die Verhinderungspflege steuerlich abrechnen. Eine Grauzone besteht bei Privatpersonen, die keine Angehörigen sind. Hier muss die Verhinderungspflege erst versteuert werden, wenn sie eine bestimmte Höhe übersteigt.
An wen wird das Geld für die Verhinderungspflege ausgezahlt?
In der Regel wird die Kompensation für die Pflegevertretung von der Pflegekasse auf das Konto der pflegebedürftigen Person überwiesen. Diese kann dann selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie dieses an die Pflegeperson weitergibt. Eine Ausnahme besteht dagegen, wenn die Kurzzeitpflege durch einen ambulanten Pflegedienst übernommen wird. In diesen Fällen kann das Pflegepersonal das Geld für die Kurzzeitpflege direkt mit der Pflegekasse abrechnen.
Wo kann ein Antrag auf Verhinderungspflege gestellt werden?
Sie können den Antrag auf Verhinderungspflege direkt bei Ihrer Kranken- beziehungsweise Pflegekasse einreichen. Der AOK Verhinderungspflege-Antrag lässt sich auf der zentralen Webseite der Krankenkasse herunterladen (https://www.aok.de/gp/ambulante-pflege/sgb-xi/verhinderungspflege). Dort werden Sie individuell zu ihrem Postleitzahlengebiet und zu ihrer zuständigen Ortskrankenkasse weitergeleitet. Auch bei der Barmer sind Anträge auf Verhinderungspflege online abrufbar (https://www.barmer.de/unsere-leistungen/pflege/verhinderungspflege-1003716). Auf der Webseite der Barmer finden sich außerdem eine Ausfüllanleitung und eine Musterrechnung, sodass keine Fragen offen bleiben dürften. Um einen Antrag auf Verhinderungspflege bei der DAK zu stellen, können Sie diesen ganz einfach auf der Webseite der Krankenkasse in Ihrem Browser bearbeiten (https://www.dak.de/dak/ihr-anliegen/pflege/verhinderungspflege-beantragen_13062). Unabhängig davon, wo Sie versichert sind, können Sie Anträge auch persönlich in Ihrer Krankenkassenfiliale, per Post oder per Email einreichen.
Kann es passieren, dass der Antrag abgelehnt wird?
Leider wird die Verhinderungspflege nicht in jedem Fall von der Pflegekasse bewilligt. Es gibt auch Fälle, in denen ein Antrag abgelehnt wird. Häufig sind negative Bescheide auf fehlerhaft ausgefüllte Antragsformulare zurückzuführen. Natürlich kann eine Ablehnung auch erfolgen, wenn die Voraussetzungen für eine Verhinderungspflege nicht vorliegen. Oftmals ist dies bei der Einstufung des Pflegegrades der Fall oder wenn der jährliche Anspruch auf Verhinderungspflege bereits ausgeschöpft worden ist. Eine nachträgliche Beantragung der Verhinderungspflege ist dagegen kein Ablehnungsgrund, denn nach dem Gesetz ist es keine Voraussetzung, dass die Leistung im Voraus beantragt werden muss. Hat die Pflegekasse einen Antrag auf Verhinderungspflege scheinbar willkürlich und ohne nachvollziehbaren Grund abgelehnt, können Sie dagegen in Widerspruch gehen oder im äußersten Fall auch juristisch vorgehen. So kommt es beispielsweise vor, dass Pflegekassen rückwirkende Anträge ablehnen, obwohl hiergegen überhaupt keine gesetzliche Handhabe besteht.
Bis wann muss eine Verhinderungspflege spätestens beantragt werden?
Natürlich ist es anzuraten, sich so bald wie möglich um die Verhinderungspflege zu kümmern, sobald absehbar ist, dass die Pflegeperson eine Vertretung benötigt. Allerdings kann eine Verhinderungspflege auch rückwirkend noch beantragt werden. Nicht in jedem Fall ist schließlich eine Planung im Voraus möglich, zum Beispiel wenn die Pflegeperson selber akut erkrankt. Theoretisch ist es sogar möglich, einen Antrag auf Verhinderungspflege noch nachzureichen, obwohl seitdem Monate oder gar Jahre verstrichen sind. Um Probleme mit der Pflegekasse zu vermeiden und die Bewilligung nicht unnötig zu erschweren, sollten ein Antrag jedoch auch nachwirkend so bald wie möglich eingereicht werden.
Welche Nachweise sind beim Antrag einzureichen?
Grundsätzlich müssen für die bloße Verhinderungspflege keine Nachweise erbracht werden. Sie müssen also weder eine Urlaubsbuchung noch einen Krankenschein bei der Pflegekasse vorzeigen. Anders sieht es dagegen mit darüber hinausgehenden Ansprüchen, zum Beispiel Fahrtkostenerstattungen aus. Hier wird die Pflegekasse mit hoher Wahrscheinlichkeit Belege sehen wollen, die Sie zum Beispiel in Form von Tankrechnungen oder Fahrkarten erbringen können.
Wie lange dauert die Bearbeitung des Antrags?
Wie lange es genau dauert, bis das Geld für die Verhinderungspflege nach Eingang des Antrags auf das Konto überwiesen wird, kann von Pflegekasse zu Pflegekasse sehr unterschiedlich ausfallen. In manchen Fällen bekommt der Antragsteller das Geld schon nach einer Woche überwiesen, bei anderen kann es wiederum zwei bis drei Monate dauern. Sollte nach einigen Wochen noch kein Geldeingang feststellbar sein, lohnt es sich, bei der Pflegekasse kurz den Bearbeitungsstand zu erfragen. Vor allem, wenn ein Antrag auf Verhinderungspflege kurzfristig oder nachträglich eingereicht wird und die Pflegevertretung ihr Geld unmittelbar benötigt, ist es somit unvermeidlich, in Vorschuss zu gehen. Auch aus diesem Grund sollten Anträge so früh wie möglich eingereicht werden.
Diese Änderungen kommen 2025 bei der Verhinderungspflege
Ab dem 1. Juli 2025 wird der Jahresanspruch auf Verhinderungspflege von sechs auf acht Wochen erhöht. Zudem entfällt die Voraussetzung, dass zuvor für mindestens sechs Monate eine häusliche Pflege erfolgt sein muss. Ab diesem Zeitpunkt werden außerdem die Budgets für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zusammengelegt. Sie werden dann 3539 Euro im Kalenderjahr betragen.