Was genau ist unter Pflegezeit zu verstehen und wer kann sie beantragen? Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sieht Folgendes vor: Arbeitnehmer haben ein Recht darauf, Pflegezeit in Anspruch zu nehmen. Die Voraussetzungen dafür sind, dass der Arbeitnehmer einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt und sein Arbeitgeber mindestens 15 Mitarbeiter vorweisen kann. Für maximal sechs Monate können Beschäftigte in solchen Fällen teilweise oder sogar ganz von der Arbeit freigestellt werden, allerdings muss die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen von der Pflegekasse oder dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) offiziell bescheinigt werden. Dies gilt für gesetzlich und privat krankenversicherte Personen gleichermaßen. Wenn der pflegebedürftige Angehörige noch minderjährig ist, besteht der Anspruch auf Freistellung auch dann, wenn die Betreuung nicht zu Hause erfolgen kann. Darüber hinaus können Angestellte eine teilweise oder vollständige Freistellung für maximal drei Monate beanspruchen, wenn sie ihren nahen Angehörigen in dessen letzter Lebensphase begleiten möchten, was ebenfalls durch eine ärztliche Bescheinigung zu belegen ist. Im Falle eines finanziellen Engpasses kann in diesem besonderen Fall ein zinsloses staatliches Darlehen gewährt werden, das Sie bitte beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragen.
Wer hat Anspruch auf Pflegezeit?
Jeder Beschäftigte, der seinen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen möchte, kann gegenüber seinem Arbeitgeber, seinen Bedarf an Pflegezeit geltend machen. Falls es sich um einen eher kleinen Betrieb mit weniger als 15 Beschäftigten handelt, besteht aber dieser Rechtsanspruch nicht. Es steht Ihnen dennoch frei, Ihren „Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz“ zu stellen.
Ihr Arbeitgeber ist auf jeden Fall verpflichtet, Ihren Antrag innerhalb von vier Wochen zu beantworten und eine Ablehnung mit stichhaltigen Argumenten nachvollziehbar zu begründen. Gewährt Ihnen der Arbeitgeber eines Kleinbetriebes die Freistellung, gelten für Sie die damit verbundenen Rechtsfolgen, beispielsweise ein Kündigungsschutz für die gesamte Dauer der Freistellung.
Muss der Arbeitgeber einer Inanspruchnahme der Pflegezeit zustimmen?
Nein, eine Zustimmung des Arbeitgebers ist nicht nötig, weil Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine sechsmonatige Pflegezeit haben. Bei einer teilweisen Freistellung sollte die Verteilung der noch verbleibenden Arbeitszeit allerdings einvernehmlich schriftlich festgelegt werden. Damit der Arbeitnehmer die Pflegebedürftigkeit des nahen Verwandten dem Arbeitgeber gegenüber nachweisen kann, stellt die Pflegekasse oder der Medizinische Dienst eine entsprechende Bescheinigung aus.
Gilt das Pflegezeitgesetz in dieser Form auch für Beamte?
Nein, denn Bundes- und Landesbeamte können eine Verringerung der Arbeitszeit oder sogar eine komplette Freistellung für die Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen direkt beim Dienstherrn beantragen. Dieser gewährt dann sozusagen einen Vorschuss auf die zukünftigen Dienstbezüge. Informieren Sie sich dazu am besten bei der Personalabteilung Ihrer Dienststelle.
Steht die Freistellung im Konflikt mit einem häuslichen Pflegedienst?
Grundsätzlich muss die freigestellte Person tatsächlich die Pflege des Angehörigen durchführen. Sehr wohl wird dabei eine Unterstützung beispielsweise durch einen ambulanten Pflegedienst akzeptiert. Im Übrigen kann eine Freistellung auch dann beantragt und genehmigt werden, wenn Ihr naher Angehöriger im Ausland lebt und dort in seiner häuslichen Umgebung gepflegt werden soll.
Wie lange kann Pflegezeit in Anspruch genommen werden?
Die Pflegezeit beträgt höchstens sechs Monate. Falls Sie zunächst eine kürzere Zeit beantragt haben, können Sie die Pflegezeit bei Bedarf und mit Zustimmung des Arbeitgebers bis auf insgesamt sechs Monate verlängern. Es ist also normal, dass die Pflegezeit nach sechs Monaten (automatisch) endet. Allerdings können sich die Lebensumstände plötzlich so ändern, dass dies einen verkürzenden Einfluss auf die Pflegezeit hat. Zum Beispiel könnte es sein, dass sich der Zustand des Angehörigen so verbessert, dass eine Pflegebedürftigkeit gar nicht mehr vorliegt, was ja für alle Beteiligten mehr als wünschenswert ist. In manchen Fällen erweist sich die häusliche Pflege als unzumutbar oder unmöglich. Auch der bedauerliche Tod des Angehörigen verändert die Situation drastisch. In solchen Fällen endet die Pflegezeit formal vier Wochen nach dem Eintritt der veränderten Umstände. Sie sind dazu verpflichtet, Ihren Arbeitgeber unverzüglich über eine neue Situation zu informieren. Dieser muss dann nur noch der vorzeitigen Beendigung der Pflegezeit zustimmen, denn auch dem können innerbetriebliche Gründe entgegenstehen. Falls während dieser sechs Monate für den Pflegebedürftigen ein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist, hat das praktisch keinen Einfluss auf Ihre Pflegezeit. Ebenfalls wichtig zu wissen ist, dass Sie für einen bestimmten Angehörigen nur einmal Pflegezeit für sich in Anspruch nehmen können. Falls aber Ihr Bruder und/oder Ihre Schwester bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind wie Sie, könnten Ihre Geschwister die ihnen zustehenden sechs Monate Pflegezeit so beantragen, dass diese genau dann beginnen, wenn Ihre enden.
Möglichkeiten der Kombination mit anderen Freistellungen
Die Freistellungen nach dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) und dem PflegeZG können grundsätzlich miteinander kombiniert werden, vorausgesetzt, sie schließen nahtlos aneinander an, wobei die Gesamtdauer maximal 24 Monate betragen darf. Beachten Sie auch in diesem Zusammenhang die Ankündigungsfristen und die Regelungen zur Unternehmensgröße. Das Pflegezeitgesetz sieht eine vollständige oder teilweise Freistellung bis zu sechs Monaten auch dann vor, wenn ein minderjähriger pflegebedürftiger naher Angehöriger entweder zu Hause oder auch außerhäuslich beispielsweise in einer Spezialklinik betreut werden muss. Handelt es sich um die letzte Lebensphase in einem Hospiz, steht dem betreuenden Arbeitnehmer eine Freistellung von maximal drei Monate zu.
Hat die Pflegezeit einen Einfluss auf den Urlaubsanspruch?
Sogar während der Pflegezeit entsteht der Anspruch auf Urlaubstage. Andererseits darf der Arbeitgeber Ihren Erholungsurlaub kürzen, und zwar um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat, den Sie freigestellt waren. Eine gute Nachricht betrifft den Kündigungsschutz: Ab der Ankündigung einer Freistellung beziehungsweise ab zwölf Wochen vor deren Beginn bis zum Ende der Pflegezeit darf Sie Ihr Arbeitgeber gemäß PflegeZG nicht kündigen, wenngleich es auch davon schon in Sonderfällen einzelne Ausnahmen gegeben hat. Abschließend möchten wir noch ein paar Fragen beantworten, die immer wieder zur Pflegezeit gestellt werden:
- Haben auch Personen mit Pflegegrad 1 Anspruch auf Pflegezeit? Ja, auch dann, wenn der zu pflegende nahe Angehörige „nur“ über Pflegegrad 1 verfügt, besteht der oben formulierte gesetzliche Anspruch auf maximal sechs Monate Pflegezeit.
- Kann ein Antrag auf Pflegezeit abgelehnt werden? Eine Ablehnung durch den Arbeitgeber ist nur dann möglich, wenn zwingende betriebliche Gründe vorliegen, die sehr gut und nachvollziehbar zu begründen sind.
- Ist die Pflegezeit meldepflichtig? Der Arbeitnehmer muss seinem Arbeitgeber die Pflegezeit mindestens zehn Arbeitstage im Voraus schriftlich ankündigen, wobei die pflegebedürftige Person und der Umfang der Pflege zu bezeichnen sind. Ein ärztliches Attest, das die Pflegebedürftigkeit bestätigt, ist in der Sache immer sehr hilfreich.
- Sind in naher Zukunft Veränderungen in der Pflegezeit geplant? Es gibt in der Tat immer mal wieder politische Diskussionen und Vorschläge zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, die alle Betroffenen unbedingt aufmerksam verfolgen sollten.
- Wie viel Geld erhält man während der Pflegezeit? Beachten Sie, dass die Pflegezeit grundsätzlich eine unbezahlte Freistellung von der Arbeit ist. Allerdings können Sie als Arbeitnehmer ein Pflegeunterstützungsgeld beantragen, das in der Regel 90 Prozent Ihres üblichen Nettogehalts darstellt, aber nur für maximal zehn Tage gewährt wird. Dieses Pflegeunterstützungsgeld wird von der Pflegekasse des zu pflegenden Angehörigen direkt an den pflegenden Angehörigen überwiesen.