Definition „Pflegebedürftigkeit“ – Was ist das?
Oft beginnt Pflegebedürftigkeit schleichend durch Einschränkungen aufgrund von Erkrankungen oder altersbedingten Veränderungen. Nahe Angehörige und Bekannte erkennen immer häufiger den Hilfebedarf, den sich Betroffene jedoch nur bedingt eingestehen. Doch wo beginnt Pflegebedürftigkeit? Wie wird Pflegebedürftigkeit definiert? Wir erläutern Ihnen die offizielle Definition von Pflegebedürftigkeit und die Rechte von Betroffenen in unserem Beitrag.
Was ist Pflegebedürftigkeit?
Wenn Menschen durch das Alter oder Erkrankungen Einschränkungen in der selbständigen Lebensführung haben und auf Hilfe für die Pflege des Körpers, des Alltags oder auch im sozialen Leben angewiesen sind, entsteht Pflegebedürftigkeit. Doch wann Pflegebedürftigkeit vorliegt und wann sie objektiv und offiziell anerkannt ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu zählen unter anderem die realistisch-sachliche Einschätzung und deren Anerkennung der Pflegebedürftigkeit durch die Pflegekasse.
Pflegebedürftigkeit nach SGB XI
Die Definition von Pflegebedürftigkeit ist im Sozialgesetzbuch X1 § 14 festgelegt. Nach dem Paragraphen gilt ein Mensch als pflegebedürftig, wenn er durch gesundheitliche Einschränkungen Selbständigkeit einbüßt und die Fähigkeiten zur Selbstversorgung derart reduziert sind, dass Hilfe von anderen Menschen und Hilfsmitteln nötig ist. Liegt die Einschränkung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor, kann die Pflegebedürftigkeit offiziell festgestellt und anerkannt werden.
Feststellung der Pflegebedürftigkeit
Es gibt klar festgelegte Voraussetzungen für die anerkannte Pflegebedürftigkeit. Um die Pflegebedürftigkeit festzustellen, muss ein Antrag auf einen Pflegegrad an die Pflegekasse gestellt werden. Diese entsendet einen Gutachter über den Medizinischen Dienst, der anhand verschiedener Aspekte die Bedürfnisse und den Hilfebedarf der Person, für die der Antrag gestellt wird, prüft. Die Prüfung erfolgt im Lebensumfeld der vermutet pflegebedürftigen Person. Dabei kommt eine Prüfliste mit sechs Modulen zum Einsatz, um die Einschränkungen im Lebensalltag bestmöglich und umfänglich zu dokumentieren. Dabei werden in den Modulen unterschiedliche Punkte vergeben, die über spezifische Berechnungen eine Gesamtbewertung ermöglichen. Über die Endpunktezahl wird anschließend durch die Pflegekasse ein Pflegegrad ermittelt und der betreffenden Person zugesprochen.
Welche Module werden bei der Einstufung zur Pflegebedürftigkeit abgefragt?
Zur Prüfung der Pflegebedürftigkeit wird der Hilfebedarf in sechs verschiedenen Bereichen untersucht, die in sogenannte Module eingeteilt werden. Die Module beinhalten wie folgt:
Modul 1 – Mobilität und Beweglichkeit
Modul 2 – Kognitive Fähigkeiten, Verständnis und Kommunikation
Modul 3 – Verhaltensweisen, psychische Belastungen und psychische Erkrankungen
Modul 4 – Selbständigkeit in der Versorgung
Modul 5 – Umgang mit Anforderungen an Krankheiten und Therapiebedarf
Modul 6 – Alltagsgestaltung und soziale Interaktion
Die Prüfung erfolgt unter Realbedingungen im Lebensumfeld der antragstellenden Person, um eine bestmögliche Einschätzung für den Hilfebedarf im Alltag zu erzielen.
Welcher Pflegegrad ab wann?
Über die Prüfung der Module werden Punkte vergeben, deren Gesamtbewertung zur Einstufung in einen Pflegegrad durch die Pflegekasse herangezogen werden:
Was tun nach der Feststellung der Pflegebedürftigkeit?
Wurde die Pflegebedürftigkeit festgestellt und ein Pflegegrad zugeteilt, können Sie als pflegebedürftiger Mensch oder als Angehöriger mit Vertretungsberechtigung die daraus resultierenden Leistungen in Anspruch nehmen. Hierzu zählen neben den finanziellen Leistungen durch die Pflegekasse (je nach Höhe der Pflegegrad-Einstufung) auch materielle Hilfen wie Pflegepakete und Hilfsmittel oder personelle Unterstützung im Rahmen der Betreuung.
Die Pflege-Charta für pflegebedürftige Menschen
Gute Informationen für die Rechte von pflegebedürftigen Menschen finden sich in der Pflege-Charta. Als Rechte-Katalog für hilfe- und pflegebedürftige Menschen bietet die Charta eine Übersicht, die von rechtlichen Ansprüchen und Gesetzen gestützt die Situation von Pflegebedürftigen erleichtern und verbessern soll.
Welche Unterstützung gibt es je nach Pflegegrad?
Welche Leistungen und Zuschüsse bei Pflegebedürftigkeit zustehen, wird durch die Zuteilung des Pflegegrades festgelegt. In unserem Beitrag zu den Pflegegraden erhalten Sie konkretere Informationen zu den finanziellen und materiellen Hilfen, auf die pflegebedürftige Menschen entsprechend dem jeweiligen Pflegegrad Anspruch haben.
Die passenden Pflegehilfsmittel wählen
Pflegebedürftige haben Anspruch auf verschiedene Hilfsmittel, die sich nach der Einstufung für den Pflegegrad richten. Die Übersicht hierzu finden Sie in unserem dazugehörigen Beitrag, der Ihnen erste Anhaltspunkte zu den möglichen Hilfsmitteln bietet. Individuelle Bedürfnisse können zudem mit dem Arzt besprochen und je nach vorliegenden Voraussetzungen auf Rezept verordnet werden.
Unterstützung durch pflegende Angehörige
Die wichtigste Hilfestellung für Pflegebedürftige sind Angehörige, die mir Rat und Tat bei der Alltagsbewältigung zur Seite stehen. Häufig ist der Bedarf jedoch nicht allein durch pflegende Angehörige zu bewältigen, weshalb bei höheren Pflegegraden auch professionelle Unterstützung bezuschusst werden kann. Müssen pflegende Angehörige zudem ihre Arbeitszeit verringern, um den Pflegebedarf zu erfüllen, bietet sich ergänzend die Option, Lohnausgleichszahlungen als Entlastung zu beantragen.
Wann sollten sich professionelle Pflegekräfte um pflegebedürftige Personen kümmern?
Bei besonderem Pflegebedarf mit herausfordernden Anforderungen reicht die Pflege durch Angehörige nicht mehr aus. Liegen schwerwiegende Erkrankungen oder Wunden vor, sind chronische Beschwerden mit spezifischem Therapiebedarf gefordert oder ist die Pflegebedürftigkeit zu weit fortgeschritten, kann die Pflege zu Hause durch einen Pflegedienst mit spezialisierten Fachkräften oder der Wechsel in ein Pflegeheim erforderlich werden. Die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pflegebedürftigen sollte dabei stets im Mittelpunkt stehen, um die Lebensqualität auch bei schwerster Pflegebedürftigkeit bestmöglich zu erhalten.
Pflegebedürftigkeit: Pflegegrad beantragen und Höherstufung
Die Ansprüche auf Leistungen und Hilfe bei Pflegebedürftigkeit greifen erst ab der Zuteilung eines Pflegegrades. Stellen Sie daher schon einen ersten Antrag, wenn sich Hilfebedarf abzeichnet, und stellen Sie einen Antrag auf Höherstufung, wenn Sie bereits einen Pflegegrad haben, sich die gesundheitliche Situation jedoch verschlechtert. In den meisten Fällen wird einmal erforderlicher Pflegebedarf eher höher als niedriger, da sich mit zunehmendem Alter auch die Herausforderungen an den Alltag durch gesundheitliche, körperliche und geistige Einschränkungen erhöhen.
Ansprüche bei Pflegebedürftigkeit frühzeitig geltend machen
Um die Ansprüche bei Pflegebedürftigkeit geltend zu machen, ist eine frühzeitige Antragstellung sinnvoll. Gerade bei schleichender Entwicklung von Pflegebedürftigkeit durch altersbedingte und fortschreitende Erkrankungen kann der bürokratische Zeitaufwand in die Antragstellung einbezogen werden, um sich frühzeitig mit Leistungen und Unterstützung bei der häuslichen Krankenpflege vertraut zu machen. Krankenkasse und Pflegekasse bieten erste Informationen bei Fragen zur Pflegebedürftigkeit. Nutzen Sie die Möglichkeiten und Ansprüche, die Ihnen das Sozialgesetzbuch zusichert, um die Anforderungen im Alltag mit Pflegebedarf leichter zu bewältigen.